Grafische Darstellung (Symbolbild) der drahtlosen Kommunikation zwischen Fahrzeugen und ihrer Umgebung mit digitalen Mitteln, auch Car2x-Kommunikation genannt.(© BY-SA 4.0 / H.J. Brehm / Wikimedia Commons)

Dr. Anastasios Kouvelas | Strassenverkehrstechnik

RECCE – Schätzung und Steuerung des Strassenverkehrs in Echtzeit

Dieses Projekt konzentriert sich auf die Entwicklung integrierter Steuer-Lösungen (d.h. eine koordinierte Zuflussregelung [Ramp Metering RM] und variable Geschwindigkeitsbegrenzungen [Variable Speed Limits VSL]) zur Stauregelung auf Autobahnnetzen. Eine effiziente Echtzeit-Lösung dieses Problems erfordert die Entwicklung neuer Kontrollmethoden anhand fortschrittlichster Technik aus den Bereichen der Regelungstheorie und Steuerungsoptimierung. Die Idee dabei ist, das Konzept der globalen Linearisierung (aufgrund der beteiligten nichtlinearen Modelle) mit einer Lyapunov-Stabilität zu kombinieren. Wir entwerfen einen optimalen Regler, der beide Konzepte nutzt und formulieren so ein konvexes (d.h. quadratisches) Optimisierungsproblem, dass effizient online gelöst werden kann. Die davon abgeleiteten Regler werden durch ein Online-Schätzverfahren ergänzt, dass sie mit den erforderlichen Eingaben versorgen kann. Abhängig von der (jeweils ortsspezifischen) Sensor-Konfiguration, der räumlichen wie zeitlichen Auflösung und den jeweiligen Hardwareausfällen und -störungen muss eine Verkehrszentrale sicherstellen, dass sie über alle erforderlichen Geräte und Systeme verfügt, um den Reglern ein Zustandsfeedback unter Berücksichtigung aller erhältlichen Echtzeit-Messungen zu liefern. Auf diese Weise wird das geschlossene Online-System flexibler, da es nun auch an Orten mit spärlichen Messungen und/oder häufigem Hardware- und Kommunikationsversagen eingesetzt werden kann. Das dazu entwickelte Schätzungssystem nutzt maschinelles Lernen, Filtertheorie, statistische Korrelationen und die Verkehrsflusstheorie und wird schlussendlich in der Lage sein, die Lücken fehlender Daten in den Raum- und Zeitbereichen zu füllen.

In der vernetzten Umgebung der Zukunft mit V2X-Technologien (Vehicle-to-X), werden wir Zugriff auf Verkehrsdaten unterschiedlicher Art haben, die im Vergleich zu den konventionellen Schleifendetektordaten – wie wir sie heute benutzen – Unterschiede aufweisen werden. Es muss allerdings festgehalten werden, dass dieses Szenario nicht etwa futuristisch, sondern durchaus realistisch ist, da derartige Technologien bereits auf unseren Strassen zu finden sind (z.B. Tesla) und in den nächsten paar Jahren zweifellos zunehmen werden. Pilotversuche mit AV [autonomous vehicles AV bzw. selbstfahrenden Fahrzeugen] finden im Moment an vielen Orten auf der Welt statt und Verkehrsbetreiber werden schon bald gemischten Verkehr (d.h. eine Mischung von selbstfahrenden und von Menschen gefahrenen Fahrzeugen) zulassen. Die umfangreichen Datensätze, die V2X und AV liefern, müssen dann allerdings mit unseren aktuellen Daten integriert werden, um eine Verkehrsschätzung von hoher Genauig­keit zu erlauben. Zu diesem Zweck müssen die klassischen Modelle der Verkehrsflusstheorie, die in den letzten 60 Jahren zur Anwendung kamen, überarbeitet und modifiziert werden, damit sie den technischen Fortschritten der Automobilindustrie von heute gerecht werden können.

Eine VSL-Infrastruktur wurde erst in der letzten Zeit (und auch weiterhin) auf Autobahnen rund um Zürich in Betrieb genommen. Heutige Verkehrsbetreiber sind sich durchaus bewusst, dass VSL die Sicherheit verbes­sern, den Treibstoffausstoss reduzieren und zudem die in Spitzenzeiten entstehenden Verspätungen aufgrund von Staus verringern kann. Die derzeitige Praxis besteht in der Verwendung von vorgegebenen Schwellenwerten für Staus und Geschwindigkeitslimiten und darin, Nachschlagetabellen für unterschiedliche Bedingungen zu er­stellen (damit z.B. bei der Bildung von Staus die Geschwindigkeitsbegrenzungen von 120 km/h auf 100 km/h und danach auf 80 km/h runtergehen). Indem wir diesen Prozess dynamisch gestalten, können wir seine Effizienz steigern und die Digitalisierung der Verkehrsinfrastruktur verbessern. Der von uns vorgestellte Steuerungsansatz ist neuartig und dürfte voraussichtlich eine starke wissenschaftliche Wirkung haben. Es ist unser Ziel, die wäh­rend diesem Projekt entwickelten Algorithmen in einer Verkehrsleitzentrale zu realisieren und damit den Verkehr auf einem Teil einer Schweizer Autobahn zu regeln.

Beteiligte

Kimia Chavoshi, Shima Mousavi, Michalis Makridis

Finanzierung

SNF Schweizerischer Nationalfonds

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Projektlaufzeit

11.2019 – 11.2023